Duft der Savanne

Es gibt gute und schlechte Tiere. Aus der Sicht eines Safaritouristen sind Elefanten, Löwen, Büffel und alles, was möglichst groß ist und wild aussieht, gute Tiere. Aus der Sicht von Moses Lokiru, Bewohner des Dorfs Lorukul im äußersten Nordosten Ugandas, sind sie schlecht. „Ich hatte ein Feld mit Hirse, wegen der jahrelangen Trockenheit wuchs sie nur halb so hoch. Kurz vor der Ernte im Oktober kamen die Elefanten. Sie ließen nichts übrig.“ Dabei hätte die Ugandan Wildlife Authority (UWA), Verwalterin des ans Dorf grenzenden Kidepo-Valley-Nationalparks, nur zwei Leute abstellen müssen, kurz vor der Ernte. „Wenn sie zwei Mal in die Luft schießen, sobald sich die Herde nähert, hauen die Elefanten ab und kommen nicht wieder, denn sie haben ein gutes Gedächtnis!“ In anderen Jahren sei das so geschehen, vergangenen Oktober nicht.

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  Und so muss Moses Lokiru, ein freundlicher Mann von 33 Jahren, ein gutes Tier verkaufen, eine seiner Ziegen, damit er mit dem Erlös Hirse für seine Frau und die zwei Kinder kaufen kann. Ähnlich geht es vielen anderen Familien in Lorukul, einer weit verstreuten Siedlung aus runden Lehmziegelhütten, deren kegelförmige Dächer kunstfertig mit dem Gras der umgebenden Savanne gedeckt sind. Die Menschen leben hier noch sehr traditionell und unter schwierigen Bedingungen. Die seit Jahren andauernde Trockenheit macht Hirse- und Maisanbau immer schwieriger, Wasser ist rar und oft mit Keimen belastet. Die Menschen hier gehören zum Stamm der Karamojong, einem ähnlich wie die Massai lebenden Hirtenvolk. Schafe und vor allem Kühe sind der wichtigste Besitz. „Ein Mann muss als Mitgift oft zehn bis 15 Kühe aufbringen“, erklärt Moses. Wenn er die nicht hat, muss er sie sich besorgen, und das hieß oder heißt hier oft: stehlen. „Wer kein Vieh stehlen kann, ist kein Mann“, sagt ein anderer Dorfbewohner, schränkt aber ein, dass Konflikte wegen des Viehs hier stark zurückgegangen seien, seit die ugandische Regierung mit Vehemenz die Entwaffnung der Region betrieben habe.

In Lorukul
In Lorukul

  Seitdem kann man problemlos in diesen entlegenen Winkel reisen, der zu den landschaftlich schönsten Ugandas gehört: eine weite Savanne mit dem typischen, ockerfarbenen Gras, grün betupft von Schirmakazien und Leberwurstbäumen (Kigelia), an denen Fruchtkörper hängen, die wie riesige Salamis aussehen. Am Horizont sind hohe Berge zu sehen, der Mount Morungole reicht bis auf über 2700 Meter.

Die Apoka-Lodge, dahinter hohe Berge
Die Apoka-Lodge, dahinter hohe Berge

  Der relativ kleine Kidepo-Nationalpark ist von zwei Flusstälern durchzogen, jenem des Kidepo und jenem des Narus. Jetzt im Januar ist Trockenzeit, ein wenig Wasser gibt es nur noch im Narustal, weshalb sich hier die wilden Tiere konzentrieren. Sehr zur Freude der Touristen und eben teilweise zum Schrecken der Einheimischen. Überall sieht man die mächtigen Büffel, mit mehr als 10 000 Tieren lebt hier eine der größten Büffelherden Afrikas. Wiederum sehr zur Freude der Löwen, die zurzeit im Narustal einen reich gedeckten Tisch vorfinden.

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  Frühmorgens, wenn das Savannengras noch fahlgrau ist und die Luft kühl, fährt Patrick Okwelle die Gäste der Apoka-Lodge zu den wilden Tieren. „Es muss heute Nacht einen Riss gegeben haben“, sagt er, „ich habe Löwengebrüll gehört und Spuren gesehen.“ Und die Sonne ist noch nicht einmal aufgegangen, als Okwelle den Safariwagen abrupt stoppt. Wenige Meter neben der Erdpiste liegt im hohen Gras ein toter Büffel. Dahinter, mit blutroter Schnauze, ein männlicher Löwe. Trotz der wie wild mit ihren Kameras klickenden Zuschauer reißt und knurpst und leckt er mit großer Ruhe an seiner Beute. Zwanzig Meter entfernt liegen zwei weitere Löwen im Gras, offensichtlich schon vollgefressen. Bald stehen sie auf und überqueren die Straße dicht hinter dem Safariwagen. „Das sind nomadische Löwen“, erklärt Okwelle, „Geschwister. Bis sie Weibchen finden, leben sie zusammen und jagen gemeinsam.“ Und wäre die archaische Szene nicht schon stark genug, überzieht nun die aufgehende Sonne das Gras und die ebenfalls ockerfarbenen Löwen mit einem gelborangen Licht, als wäre man in einem Grzimek-Film. Solch eine Szene würde in Südafrika oder Namibia einen Stau von Dutzenden Safariwagen nach sich ziehen, hier sind es gerade mal zwei. Ganz Uganda, und noch mehr der entlegene Kidepo-Park stecken erst in den Anfängen des Massentourismus.

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  Umgeben von Krisenstaaten wie dem Südsudan, dem Kongo und zuletzt auch Kenia, ist Uganda ein ziemlich stabiles Land, das der ehemalige Guerillakämpfer Yoweri Museveni mit seinem Clan seit 1986 autoritär regiert. Den Tourismus rund um die zehn Nationalparks des Landes will er nun vorantreiben. In Kidepo gibt es bisher nur eine Lodge, es werden aber nun weitere gebaut. Die Katurum Lodge, einst von Diktator und Massenmörder Idi Amin für Staatsgäste gebaut, wird gerade renoviert. Sie ist terrassenförmig und brachial in einen großen Felsen hineinbetoniert. Aus der Ferne sieht sie aus wie die Zentrale eines Bond-Bösewichts, wer aber anklopft und von den Arbeitern Einlass bekommt, begreift sofort, weshalb ein Geschäftsmann aus Kampala das Ding von der Regierung gepachtet hat: Der Blick von da oben ist unübertrefflich, fast wie aus dem Kleinflugzeug überblickt man die Savanne mit ihren Tierherden.

Im Hintergrund ist die Idi-Amin-Lodge zu sehen
Im Hintergrund ist die Idi-Amin-Lodge zu sehen

  Die waren hier noch in den 1990er-Jahren weitgehend verschwunden. Krieg gegen diverse Rebellengruppen, unter anderem jene des bestialischen Joseph Kony, brachten hier im Norden des Landes unermessliches Leid über die Bevölkerung und Wilderern gute Geschäfte.

  Patrick Okwelle, dessen Großeltern einst von ihrem Land vertrieben wurden, weil dort der Nationalpark entstand, erzählt, wie er 1996 mitgeholfen hat, Giraffen wieder anzusiedeln. Die Ugandan Wildlife Authority brachte drei der schönen Rothschild-Giraffen aus Kenia hierher, um den Bestand wieder aufzubauen. „In ganz Kidepo waren nur noch drei Giraffen übrig, sagt Okwelle, heute haben wir wieder etwa 50, und zwölf Kühe sind trächtig.“ Ähnlich ging es mit den Elefanten, die sich noch besser erholt haben und heute fast 1000 zählen. Man sieht sie im Narustal leicht, etwa wie sie Wasser trinken –, Kühe, Bullen und mehrere Junge, die zwischen den baumstammdicken Beinen der Alten herumalbern.

Die größte Herde afrikanischer Büffel lebt im Kidepo-Nationalpark
Die größte Herde afrikanischer Büffel lebt im Kidepo-Nationalpark

  Großwild gut und schön, wer aber die Savanne in Kidepo mit ihrem heißen Duft nach ätherischen Ölen, dem mannshohen Gras, den Tierspuren und den vielen Vogelarten erleben will, muss vom hohen Safariwagen heruntersteigen und eine Fußsafari mit Julius Oryem machen. Das kostet, wenn man tags zuvor den Löwen beim Fressen zugeschaut hat, zunächst etwas Überwindung. Doch erstens ist Oryem eine Frohnatur, der alle Vögel und Pflanzen kennt, und zweitens wandert noch ein UWA-Ranger samt Kalaschnikow mit. Man geht zwischen schwarzen Basaltfelsen hindurch, sieht Spuren von Löwen und die Reste eines Warzenschweins. „Rüssel und Füße hat der Leopard übrig gelassen“, sagt Oryem. Er zeigt auf knallbunte Bienenfresser im Gebüsch, auf einem dürren Baumast sitzt eine Senegalracke, ein farbenprächtiger Vogel, der sich von Großinsekten ernährt.

Senegalracke (Abyssinan Roller)
Senegalracke (Abyssinan Roller)

  Auf einem hohen Baum sitzt ein Raubadler, er hat ein Stück Fleisch in den Fängen, Oryem weist darauf hin. Da klettert vorsichtig ein Pavian Richtung Adler, wartet einige Minuten unter dem Greifvogel. Plötzlich greift er blitzschnell zu, der Adler erschrickt und lässt das Fleisch fallen. Der Affe schnappt es sich. Es ist ein Nehmen und Geben in der Savanne, und die meisten geben nicht freiwillig.

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  Moses Lokiru, der Mann aus Lorukul, hofft, dass seine Hirse vor der nächsten Ernte nicht mehr von den Elefanten aufgefressen wird. „Zwei Schüsse genügen, sagt er noch einmal – in die Luft!“

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