Eigentlich ein Kunststück: Mein Sohn liegt auf einem Anfängerhang im Montafon und strampelt vor Jähzorn derart mit den Beinen, dass ein Ski mitsamt dem Skischuh in weitem Bogen durch die Luft fliegt. Dazu nennt er mich wechselweise einen „Blödmann“ oder „Kackpapa“.
Man hätte es ahnen können. Schließlich waren die Skikursversuche, die der eigene Vater mit einem selbst veranstaltete, auch nicht gerade von Erfolg gekrönt. Das waren allerdings auch die beiden offiziellen Skikurse nicht, die ich relativ spät im Alter von sieben oder acht erdulden musste. Skilehrer unsympathisch und unfähig!
Deshalb, und weil er sich weigert, einen Skikurs zu besuchen, kann man dem Bub die Grundkenntnisse erst mal selber beibringen. So schwer kann das ja nicht sein. Überambitionierter Vater, der man ist, wird das Kind schon mit drei auf Skier gestellt. Das war zu früh – siehe Wutszene im Montafon. Nun, ein Jahr später, mit viereinhalb, wagen wir einen zweiten Versuch.
Ein Wochenende in Oberammergau, mit Hotelübernachtung, nur Vater und Sohn. Anton, so heißt der Bub, hat große Lust: „Wann fahren wir endlich los, ich will endlich Ski fahren.“ Gute Voraussetzung, denkt man und stellt sich in den Stau bei Oberau. Am frühen Nachmittag! Als wir um vier ankommen, gehen die meisten anderen Kinder und Erwachsenen schon heim. Die Lifte schließen gleich. Beides gut. Denn erstens brauchen wir keine Zuschauer und zweitens keinen Lift. Der Lift bin ich. Mit beiden Händen auf seinem Po schiebe ich ihn, Bergschuhe an den Füßen, den Hang hinauf. Er hat bereits verinnerlicht, dass er seine Hände auf die Oberschenkel legen muss. Das habe ich von Skikursen abgeschaut. Die Kinder bringen so das Gewicht nach vorne. Das ist essenziell. Denn nur so bekommen sie Druck auf die Skier und können Schneepflug und später Kurven machen.
Bis zum Einbruch der Dunkelheit üben wir nun auf einer Schneefläche, die eher wie ein leicht abfallender Parkplatz als ein Skihang aussieht. Das ermutigende Ergebnis: Anton gibt mir nicht mehr für jeden Sturz persönlich die Schuld. Er kriegt auch fast keine Wutanfälle mehr, wenn es ihm wegen zu viel Rücklage die Ski auseinanderreißt und er auf den Hintern fällt. Mag sein, dass das auch an dem Vorrat an Smarties und Lachgummis liegt, den ich in meiner Skijacke horte und ihm verabreiche, wenn er wieder eine Talfahrt hinter sich hat. Auch das habe ich mir von den Skilehrern abgeschaut. Die kochen auch nur mit Wasser, respektive Gummibärchen. Um halb sechs will er immer noch weitermachen. Er hat Blut geleckt.
Am nächsten Morgen wagen wir uns an den Schlepplift. Die Wanklifte in Oberammergau halten drei davon vor: Einen Babylift, einen mittelschweren mit Bügeln und einen längeren Tellerlift. Wir versuchen es mit dem Bügellift, was nach den ersten zwei Mal auch reibungslos klappt. Anton zwischen meinen Beinen, ich in ziemlich muskelkaterträchtiger Position. „Linker Arm raus, Rechtskurve, rechter Arm raus, Linkskurve“, so gebe ich die Kommandos, während ich rückwärts fahre und Antons Skispitzen zusammenhalte, damit er im Schneepflug bleibt. So geht es einige Male den jetzt schon steileren Hang runter. Der Lachgummivorrat schwindet.
Auf einmal sagt der Bub, er wolle es jetzt allein machen. Und tatsächlich: Hände auf den Knien, leichte Kloposition, fährt er den ganzen Hang allein hinunter, macht sogar andeutungsweise Kurven. „Die blöden Kurven“, ruft er nur, als ich mehr davon verlange. So geht das drei Stunden lang. Nicht ohne Stolz fahre ich neben ihm her und denke: Der Streif-Sieg ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit.