Der Rebenretter

Manfred Eckenfellner steht unter Strom. Ständig läutet sein Handy, während er durch die Weinberge geht und nach seinen Zöglingen Ausschau hält. „Ja, dann kommst du morgen in der Früh um fünf, das Tarnzelt habe ich dir schon aufgebaut.“ Tierfotografen, Umweltschützer, manchmal auch Politiker – alle wollen sie was von Eckenfellner, dem frühpensionierten Tischlermeister aus Feuersbrunn am Wagram. „30 Jahre habe ich gegen Windmühlen gekämpft, und jetzt haben sie mich zum Ehrenbürger gemacht“, sagt er schmunzelnd. „Dass meine Sache noch mal so gut ankommt, das macht so Spaß!“

Seine Sache, das ist zunächst einmal der Wiedehopf – ein mit seiner Federhaube lustig aussehender Vogel, der sich in Weinbergen besonders wohlfühlt. „Aber nicht bei den konventionellen Typen“, wie Eckenfellner die Bauern nennt, die ihre Weinberge mit Herbiziden und Insektiziden traktieren, so lange, bis nichts mehr übrig ist, was ein Schmetterling, ein Maikäfer oder eben ein Wiedehopf zum Leben braucht. „2002 hat es hier am Wagram nur noch ein Brutpaar gegeben, dieses Jahr waren es circa 130.“ Eckenfellner hat Hunderte Nistkästen in die Weinberge gehängt, er hat selbst etwa 1000 Jungvögel von Hand aufgezogen und ausgewildert. Das brachte ihm unter den Bauern bestenfalls den Ruf eines schrägen Kauzes ein, manche rissen ihm auch die Nistkästen wieder runter.

Seit aber der ORF in der „Universum“-Reihe einen schönen Film über ihn und seine Wiedehopfe ausgestrahlt hat, ist er zu einem kleinen Star im Land geworden. Dabei ist der Wiedehopf nur eines von seinen vielen Projekten. Eckenfellner ist seit 30 Jahren Hobby-Bioweinbauer, hat Bienenvölker und kennt sich auch aus mit allen anderen Insekten und Vögeln und vor allem damit, wie in der Natur alles miteinander zusammenhängt. Um das zu veranschaulichen, will er nun einen touristischen Themenweg errichten: hier, in der Kulturlandschaft des Wagram, eines sanft ansteigenden Löss-Plateaus 60 Kilometer westlich von Wien. Der Umweltlandesrat von Niederösterreich, mit dem er neuerdings per Du ist, hat ihm viel Geld für das Projekt versprochen. „Hier kommt das Besucherzentrum hin“, erklärt Eckenfellner, „und hier hab ich extra einen Draht gespannt, damit die Leute die Bienenfresser beobachten können und sie trotzdem nicht stören.“ Tatsächlich sitzen die tropisch bunten Vögel auf dem über ein kleines Tal gespannten Draht. Sie graben ihre Bruthöhlen in die weichen Lösswände. Fast der ganze Wagram besteht aus Löss, einem verfestigten, vor Urzeiten angewehten Kalkstaub, der ein idealer Boden für Weinreben ist. Besonders gut gedeiht hier der Grüne Veltliner.

Einer der Könige des Grünen Veltliners ist der Winzer Bernhard Ott. Er ist ein fürstlich schwerer Mann und gut bekannt mit Manfred Eckenfellner, den er einen „positiv Verrückten“ nennt, von dem er viel gelernt habe. Zum Beispiel, dass ein Wiedehopfpaar täglich bis zu einem halben Kilo Maikäfer-Engerlinge sammelt, die sonst die Wurzeln der jungen Reben anfressen. 2006 stellte er seinen Betrieb auf biologisch-dynamischen Anbau um. Von den rund 2500 Hektar, die der Wagram umfasst, fast alles in direkter Südlage, würden bereits 20 Prozent biologisch bewirtschaftet, sagt Ott, während er durch sein Weingut im Ort Feuersbrunn führt. „Das ist österreichweit Spitze.“ Man stehe hier natürlich im Schatten der nahen Wachau. „Aber darüber bin ich gar nicht unglücklich. Dort sind die Massen. Zu uns kommen die wirklich am Wein Interessierten.“ Die können dann bei Ott einen antiken Wein verkosten, den er in eigens aus Georgien importierten Quevri ausbaut, riesigen, in die Erde eingegrabenen Tongefäßen. Ungleich geschmeidiger als der tanninige Urwein schmecken aber Otts Grüne Veltliner, der Rosenberg oder der Spiegel, goldgelb im Glas und mit einem schönen Spiel von Säure, Mineralität und Fruchtigkeit.

Wer über die Dörfer des Wagram fährt, mit ihren bunten Kellerhäuschen, die in den Löss hineingebaut sind, den Zwiebelkirchtürmen und den Silotürmen der Futtermittelhäuser, der wird schnell feststellen: Es ist eine unspektakuläre Landschaft, nicht zu vergleichen mit den steilen Weinterrassen der Wachau. Und doch hat sie einen besonderen Reiz, weil das Land nicht mehr sein will, als es ist – Bauern- und Weinbauernland. In der Ebene die Gemüseäcker, an den sanften Hängen die Weinreben, darüber der Wald. Pannonisches Klima haben sie hier: sehr heiße Sommertage und relativ kühle Nächte, ideal für den Wein. Hotels gibt es fast keine, man übernachtet auf Bauern-, manchmal Gutshöfen, von denen viele einst dem Bistum Passau gehörten.

Ein solcher „Lesehof“, einer der schönsten am ganzen Wagram, ist das Gut Oberstockstall. Seine dicken Mauern umschließen einen theaterwürdigen Innenhof mit altem Nussbaum und gotischer Kapelle, um die herum Gänse weiden. „Wegen mir braucht es am Wagram keine Hotels“, sagt Fritz Salomon, der die Landwirtschaft des Gutes macht, während seine Frau Eva die Zimmer vermietet. Gerade haben sie fünf Gästezimmer eingerichtet, in den ehemaligen Räumen der kirchlichen Gutsverwalter. Zimmer ist etwas untertrieben, es sind halbe Ballsäle mit hohen Gewölben, modern eingerichtet und mit antiken Möbeln geschmackvoll ergänzt. „Die Verwalter wollten sich hier ein Denkmal setzten“, sagt Eva Salomon. Das Restaurant unten im Hof, das mit seiner Haubenküche über die Grenzen des Wagrams hinaus bekannt ist, wurde von Fritz Salomons Mutter gegründet und wird heute von seinem Bruder Matthias und dessen Frau betrieben. Das Gemüse für die Küche bauen sie hinterm Haus an, biologisch-dynamisch, genau wie dieguten Weißweine, die Fritz Salomon macht.

Ein paar Kilometer weiter, im Ort Zaussenberg, 24 Häuser, 60 Einwohner, steht in Latzhose der Winzer Josef Fritz und erzählt von seinem liebsten Kind, dem Roten Veltliner. Diese Rebsorte wird weltweit fast nur noch in Österreich angebaut, der Großteil davon hier am Wagram. Und Josef Fritz ist der Großmeister dieser schwierigen Weißwein-Rebe. „Am Anfang wurde ich ausgelacht, als ich den Roten Veltliner massiv angebaut habe“, sagt Fritz. Die Beeren seien dünnhäutig und empfindlich für Pilzbefall, die Triebe wachsen nicht nach oben, sondern zur Seite. „Aber wenn man die Weinbergarbeit gut macht, ist es eine sehr edle Sorte, mit guter Säure, aus der man hochwertige Weine machen kann.“ Mit dem Lachen haben die Kollegen auch bald aufgehört, Fritz’ Rote Veltliner wurden oft prämiert, er verkauft viel ins Ausland. „Der Rote Veltliner ist eben die Spezialität des Wagrams, so wie der Grüne Veltliner die Spezialität Österreichs ist.“ Kraftvoll, säurebetont und rund schmecken Fritz’ Weine, zum Essen besser als ohne. Fritz ist kein Biobauer. „Da muss man sich hier schon fast rechtfertigen“, sagt er und lacht; er verwende nur Mittel gegen Pilzbefall, keine Herbizide und Insektizide.

Das ist ganz in Manfred Eckenfellners Sinn. Der Naturschützer ist auch kein schlechter Weinmacher. Für den Eigenbedarf keltert er einen tadellosen Cuvée aus Blauburger und Blauem Portugieser. Sein Presshäuschen in der hübschen Feuersbrunner Kellergasse hat hinten, zu den Weinbergen hin, eine angebaute Veranda. Dort sitzt Eckenfellner gern, raucht, trinkt Wein, und wenn sein Handy mal nicht läutet, schaut er in einen alten kleinen Fernseher. „Hier läuft im Sommer Steinkauz- oder Wiedehopf-TV.“ Er hat in mehrere Nistkästen Kameras gebaut. „Du musst ja zuerst ihr Verhalten studieren, bevor du sie schützen kannst.“ Nun haben sich seine Vögel schon wieder auf den Weg nach Afrika gemacht. Und auch wenn es Eckenfellner eigentlich nicht in die Ferne zieht, weil er sich, wie er sagt, keinen schöneren Ort vorstellen kann als den Wagram, so treibt ihn doch eines um: „Einmal möcht’ ich gern nach Afrika, um zu schauen, was meine Wiedehöpf’ im Winter machen.“

Kommentare

  1. Susanne Kneisl

    Gerne möchte ich Herrn Manfred Eckenfellner fragen
    wie er diese schönen Nistkästen für den Wiedehopf baut. Lochgrössen und ganze Grösse und Tiefe des Nistkastens.
    Ich möchte auch so einen Nistkasten bauen. Habe schone einige kleinere Nistkästen gemacht. Dieses Jahr waren 3 besetzt.
    Blaumeise, Kohlmeise und Grauschnäpper. Alle Vögelchen sind ausgeflogen.
    Dieses Jahr kam der Wiedehopf wieder, 2 Jahre habe ich ihn nicht gesehen. Jetzt möchte ich ihm für nächstes Jahr einen
    Nistkasten bauen. Vielleicht könnte mir Herr Eckenfellner die Grössen und die Holzart der Kästen angeben.
    „Der Wiedehopf kehrt zurück“ dieser Film hat ich sehr beeindruckt.
    „Mein Wiedehopf“ ist im Piemont. Jetzt sehe und höre ich ihn nicht mehr, ich hoffe er hat eine Partnerin gefunden.
    (Hier gibt es auch viele Bienenfresser.
    Weinberge und gepflegten Wald, auch Wildnis ist da und ich hätte so gerne mehr von diesem Wiedehopf
    Insekten, Grillen etc. sind viele zu haben.
    Ich würde mich freuen. Ganz herzliche Grüsse
    Susanne Kneisl, Zürich

  2. Susanne Kneisl

    Lieber Erich
    Danke viel tausendmal. Genau so habe ich mir das gewünscht. Ich freue mich riesig. In genug grossen Abständen werde ich zwei Kästen
    montieren. Die Angaben sind super. Muss man irgend eine Richtung z.B. nach Osten berücksichtigen?
    Ich bin total begeistert und hoffe natürlich dass mehr Wiedehopfe kommen werden.
    Wir haben im Piemont schon ein ganz schönes Vogelparadies bekommen. Fledermäuse und viele Nachtigallen sind auch da.
    Ganz herzliche Grüsse und viele Komplimente an Herrn Eckenfellner.
    Susanne

  3. Susanne Kneisl

    Hallo Erich
    nochmals ein grosses Dankeschön für Süden oder Osten.
    Ich habe schon zwei Plätze ausgesucht wo ich die Kästen montieren werde.
    Unser Gelände ist eingezäunt und ich hoffe, dass nicht so viele Feinde uns besuchen
    werden.
    Ich freue mich unglaublich, die Arbeit mit den Nistkästen wird toll. Das Thema
    „Wiedehopf“ ist nicht mehr weg zu denken.
    Ich wünsche Euch allen ein grossartiges Wochenende
    Herzliche Grüsse Susanne

  4. Wilhelm Cardinal v. Widder

    Ich wohne im Sommer in Nordestland an der Ostsee,dort gibt es eine kleine Wiedehopf -population ,die sich von Mai bis ende August auf meinem Grund ernährt. (ca,
    C. 2 Hektar Wiese)
    3 kästen aufgehängt seit einem Jahr . Kein Nisterfolg .

    Wilhelm c. von Widder . Lengede

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